Autostadt Story: Die Autobewahrer

Zur Autostadt gehört eine beeindruckende Sammlung automobiler Klassiker verschiedenster Marken. Was nicht jeder weiß: Einige dieser besonderen Fahrzeuge stellt das ZeitHaus aus, die meisten stehen jedoch im Depot. Alle Fahrzeuge aber werden liebevoll gepflegt – und stets fahrbereit gehalten. Wer dafür verantwortlich ist und welche Herausforderungen es dabei gibt, teilt Jens Meiners im Magazin AUTO STADT & LEBEN mit. Einen Einblick gibt es im Folgenden.

Mehr als 60 Marken, über 280 Fahrzeuge, rund 90 davon für die Besucher:innen erlebbar: Das ZeitHaus verfügt über eine imposante Sammlung automobiler Meilensteine. Neben den ausgestellten Fahrzeugen stehen einige wenige als Leihgabe in anderen Museen, der große Rest wartet im Depot, einer Halle in den Außenbezirken Wolfsburgs. Es gehört zum Anspruch der Sammlung, dass die Fahrzeuge in fahrbereitem Zustand sind – oder kurzfristig in diesen Zustand versetzt werden können. Denn das Einsatzspektrum ist groß: Die Preziosen kommen auch regelmäßig bei Oldtimer-Rallyes, auf Messen oder bei Foto-Shootings zum Einsatz.

Wie hält man eine Flotte von fast 300 teils sehr alten Autos in fahrfähigem Zustand? Für diese Mammutaufgabe ist ein eingespieltes Team verantwortlich. Dazu gehören auch Maik Döblitz und Gerald Schröder, die wir einen Tag lang begleiten durften. Ihr eigentlicher Arbeitsplatz ist das Depot. Dort warten nicht nur die meisten Fahrzeuge auf ihren nächsten Einsatz, es gibt auch Büroräume und eine voll ausgerüstete Werkstatt, in der die automobilen Schätze repariert und restauriert werden können. An drei Tagen in der Woche machen sich Döblitz und Schröder auf den kurzen Weg ins ZeitHaus. Dort nehmen sie die Ausstellungsexemplare genau in Augenschein.

Dreimal pro Woche: Besuch im ZeitHaus

In den verglasten Ausstellungshallen mit vielen Spiegeln präsentieren sich die Exponate den Besuchern in makelloser Perfektion. Deshalb reicht es auch nicht aus, dass Reinigungskräfte die Fahrzeuge täglich abstauben. Rund anderthalb Stunden lang, morgens, bevor das ZeitHaus die Pforten öffnet, werden die Autos akribisch begutachtet. „Wir putzen die Scheiben, kontrollieren die Reifendrücke und haben Politur dabei, falls mal ein kleiner Kratzer in den Lack gekommen ist“, erklärt Döblitz. Dabei werden die Reifen auf den sogenannten Erhaltungsdruck gebracht, der bei 3,5 bis 4 Bar liegt. Wenn die Reifen lange stehen, dünsten sie aus und nehmen einen leichten Braunton an.

Dann sorgen Döblitz und Schröder mit Pinsel und Farbe dafür, dass die Flanken wieder schwarz glänzen. „Manche Autos schwitzen ein bisschen“, berichtet Schröder. Das kann passieren, wenn der Standort eines Fahrzeugs in der Ausstellung gewechselt wird – oder einfach wegen des Alters von Dichtungen und anderen Materialien. Wenn sich Feuchtigkeit auf den Scheiben niederschlägt, prüfen Döblitz und Schröder, wo die Ursache liegen könnte. Alle Autos müssen in erstklassigem Zustand sein. Das ZeitHaus hat den Anspruch, dass jedes Fahrzeug kurzfristig aus der Ausstellung geholt werden kann, um auf die Straße zu gehen.

Die Arbeit im Depot

Bei den Fahrzeugen, die sich im Depot eine Auszeit von den Blicken der Besuchenden gönnen, ist die Überprüfung weniger streng. Einen festen Turnus, so Schröder, gibt es hier nicht. Nur einmal im Jahr ist ein fester Termin, dann wird die Halle vollständig geräumt und von Grund auf gereinigt. Die Kontrollgänge im Depot planen die Mitarbeiter:innen in Eigenregie, ungefähr einmal alle drei Monate, so Döblitz: „Wenn es in den Terminplan passt, nimmt sich jemand zwei bis drei Stunden Zeit, wedelt die Autos ab und kontrolliert dabei auch den Reifendruck und eventuelle Leckagen.“ Angeworfen werden die Autos im Depot selten: Die Batterien – sofern sie sich überhaupt im Fahrzeug befinden – sind abgeklemmt, aus Brandschutzgründen befindet sich kaum Treibstoff in den Tanks.

Richtig spannend wird es, wenn ein Fahrzeug für eine Rallye oder einen anderen Fahrtermin vorbereitet werden muss. Dann widmen sich die Mitarbeiter:innen dem Oldtimer mit besonderer Hingabe. Manchmal stehen auch größere Reparaturen an, sogar Teil- oder auch Komplettrestaurationen werden hier durchgeführt. Denn das ZeitHaus kauft immer wieder interessante Fahrzeuge, die als technischer Meilenstein in die Sammlung passen. Und die sind dann oft in einem Zustand, der größere Zuwendung verlangt.

Wenn man Döblitz und Schröder fragt, was sie an ihrer Arbeit am meisten fasziniert, dann sind sie sich einig: Das Aufgabenspektrum ist extrem breit gefächert und abwechslungsreich. „Wir müssen immer wieder umdenken“, berichtet Döblitz. „Auf der Bühne ist jedes Auto anders.“ Und Schröder lacht: „In anderen Sammlungen weiß man, was einen erwartet. Wenn Leute zu Besuch ins Depot kommen, wissen sie vor lauter Fahrzeugen gar nicht, wohin sie als Nächstes laufen sollen.“

Der Wert guter Kontakte

Die Aufgabe, derart unterschiedliche automobile Schätze aus aller Welt aufzubauen, zu pflegen und zu bewahren, dürfte zu den facettenreichsten gehören, die es in der Automobilbranche gibt. Dazu haben sich die Fachleute nicht nur ein umfangreiches Archiv, sondern auch ein unerreichtes Netzwerk an Expertinnen und Experten aufgebaut.

Bei den Modellen von Volkswagen kann das ZeitHaus manchmal noch auf „Seniorexperten“ zurückgreifen, ehemalige Mitarbeiter:innen, die selbst an den Autos gearbeitet oder sie mitentwickelt haben. Für die anderen Fabrikate gilt das leider nicht. Und so unterscheiden sich auch die Vorlaufzeiten, wenn ein Auto einsatzfähig gemacht werden soll. Prinzipiell rechnet man im ZeitHaus mit mindestens einer Woche Vorlauf, bis aus einem Ausstellungsstück wieder ein straßenfähiges Fahrzeug wird. Neue Reifen bekommt so ein Auto ohnehin fast immer. Wenn Probleme auftreten, könne man sich bei Fahrzeugen wie dem Käfer auch einmal mit den Teilen aus einem anderen Modell helfen. Bei Exoten geht das nicht. „Ein Bugatti ist eben kein Käfer“, so Döblitz.

Dann heißt es, über viele Stunden am Computer zu recherchieren, Clubs anzuschreiben – und das Netzwerk anzuzapfen: „Wir kennen natürlich unsere Kollegen bei Audi oder Porsche, aber wir haben auch alte Freunde, die sich mit Vorkriegsfahrzeugen auskennen“, sagt Schröder und ergänzt: „Irgendwann hatten wir auch ein Netzwerk für Exoten wie Matra oder Lotus.“

In der Pandemie blieb mehr Zeit als sonst für Restaurierungen und grundlegende Arbeiten. Normalerweise halten sieben bis zehn Events und Ausfahrten Döblitz, Schröder und Kolleg:innen auf Trab, die Bremen Classic Motor Show und die Techno Classica in Essen, die Classic Days auf Schloss Dyck und verschiedenste Einzelanfragen. „Wir versuchen, Anfang des Jahres zu wissen, was auf uns zukommt“, so Döblitz. Doch Überraschungen bleiben bei einem derart komplexen und faszinierenden Thema nicht aus.

Traumjob für Oldtimerfans

Döblitz und Schröder haben jedenfalls ihren Traumjob gefunden. Döblitz ist schon seit 2001 dabei und hat den Aufbau der Sammlung praktisch von Anfang an begleitet und mitgestaltet. Schröder war nach seinem Eintritt in die Autostadt im Jahr 2007 zunächst mit Neuwagen befasst und hat sich sechs Jahre später für eine freiwerdende Meisterstelle im ZeitHaus beworben. Seitdem ist auch er dabei.

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